Kein Notfall?
29.12.2025 - Es ist an der Zeit, neue Organisationsmodelle einzuführen und zu erproben, um aus der Notlage herauszukommen, die den Seniorenbereich seit Jahren erschüttert...
OFFENER BRIEF
Seniorenwohnheime Südtirols
Es ist an der Zeit, neue Organisationsmodelle einzuführen und zu erproben, um aus der Notlage herauszukommen, die den Seniorenbereich seit Jahren erschüttert.
Die Pflege älterer Menschen kann nicht länger als Randbereich betrachtet oder dem guten Willen der Pflegekräfte überlassen werden: Sie erfordert strukturelle, sofortige und weitsichtige Lösungen. Wir stehen heute vor einer kritischen Situation, die mutige Entscheidungen erfordert. Zwei Probleme können nicht länger ignoriert werden: einerseits der untragbare Anstieg der Kosten und Gebühren für Familien, andererseits die strukturelle Krise aufgrund des Mangels an qualifiziertem Pflegepersonal.
Die Einführung der 36-Stunden-Woche in den Seniorenheimen Südtirols ab Januar 2026 ist ein wichtiger gewerkschaftlicher Erfolg. Eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn bedeutet, der Arbeit wieder Würde zu verleihen, die psychophysische Erholung zu fördern und endlich einen Sektor attraktiv zu machen, der seit Jahren auf dem Rücken der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lebt. Neue Formen der Flexibilität, gerechtere Schichtpläne und angemessene Zulagen sind unverzichtbare Instrumente, um eine kontinuierliche Pflege und nachhaltige Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.
Das Thema ältere Menschen ist kein aktueller Notfall, sondern eine strukturelle Herausforderung, die die Zukunft unserer Gesellschaft prägen wird. Die Alterung der Bevölkerung erfordert gesetzliche Maßnahmen, Investitionen, angemessene Dienstleistungen und neue Berufsbilder. Es ist inakzeptabel, dass ein soziales Phänomen dieser Größenordnung nicht als politische Priorität angesehen wird. Die Akteure des Sektors fordern dies seit Jahren, und als Gewerkschaftsorganisation werden wir dies auch weiterhin fordern.
In Seniorenheimen hat sich die Personalkrise nach der Pandemie nicht verbessert, sondern verschärft. Wir sind von einer Gesundheitskrise zu einer regelrechten Beschäftigungskrise übergegangen. Der Mangel an qualifiziertem Personal gefährdet sowohl die Qualität der Pflege als auch die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Deshalb bekräftigen wir nachdrücklich: Politik, Führungskräfte, Verwaltungsbehörden und Gewerkschaften müssen zusammenarbeiten, und zwar jetzt, um sofortige Lösungen zu finden, die die Rechte älterer Menschen und derjenigen, die sie betreuen, gewährleisten.
Es braucht neue, moderne Arbeitsmodelle, die junge Menschen und Studierende anziehen und diesen Berufen wieder einen sozialen Wert verleihen.
Das 2024 in zwei großen öffentlichen Einrichtungen im Trentino gestartete Experiment zeigt, dass Veränderungen möglich sind und konkrete Ergebnisse bringen. In Absprache zwischen der Geschäftsleitung, dem Personal und den Gewerkschafts-vertretern wurde ein innovatives Schichtsystem eingeführt:
Für Tätigkeiten im Dauerbetrieb (24 Stunden):
Schichtarbeit an 3 Arbeitstagen und 2 Ruhetagen, unterteilt in drei Zeitabschnitte: 3 Frühschichten, 3 Spätschichten und 3 Nachtschichten.
Für Tagespersonal:
4 Arbeitstage und 3 Ruhetage.
Die Ergebnisse stimmen mit der internationalen Fachliteratur überein: mehr Wohlbefinden, weniger Krankheiten, geringere Fluktuation, höhere Mitarbeiterbindung und Attraktivität.
Diese Modelle, die auch auf den Prinzipien des Teal-Organisationsmodells (Entscheidungsautonomie der Teams) basieren, fördern die berufliche Autonomie, ermöglichen den Arbeitnehmern, sich an der Festlegung der Pflegepläne zu beteiligen, und garantieren mehr Zeit für das Privatleben, die Gesundheit und die psychophysische Erholung. Und ein Arbeitnehmer, der sich wohlfühlt, garantiert eine bessere Betreuung der Gäste: Das ist eine Tatsache.
Als autonome Gewerkschaftsorganisation AGO verurteilen wir nachdrücklich, dass die übermäßige Standardisierung der Dienstleistungen für ältere Menschen die Qualität der Arbeit beeinträchtigt und eine individuelle Betreuung verhindert.
Wir fordern Organisationsmodelle, die auf dem Wohlbefinden der Menschen, der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und der Achtung der körperlichen und geistigen Gesundheit derjenigen basieren, die täglich in einem für unser Gebiet unverzichtbaren Sektor tätig sind.
In das Wohlergehen der Arbeitnehmer zu investieren, ist kein Kostenfaktor, sondern eine notwendige Voraussetzung für den Aufbau eines stärkeren, humaneren und nachhaltigeren Sozial- und Gesundheitssystems. Es bedeutet auch, die Beschäftigung von Frauen zu fördern, die Geburtenrate zu unterstützen und ein gerechteres Sozialmodell aufzubauen.
Es ist Zeit, sich zu entscheiden, auf welcher Seite man steht: auf der Seite der Pflegekräfte, auf der Seite der Arbeitnehmer, auf der Seite der Bewohner der Seniorenwohnheime.
Wir als AGO haben uns entschieden. Und wir werden weiter für Rechte, Würde und Zukunft kämpfen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr.Andreas Unterkircher
AGO-Obmann
Tel. 335 69 02 375 - Andres.unterkircher@ago-bz.org
Stefano Boragine
AGO -Landessekretär
Tel.: 338 17 42 587 - stefano.boragine@ago-bz.org
AGO Service
